Corona-at-home, Tag 4: ich wache schweißgebadet aus einem Albtraum auf. Den Traum kenne ich. Seit knapp vier Jahren habe ich ihn regelmäßig, immer in anderen Varianten, die Grundessenz bleibt die gleiche. Seit dem Jahr, in dem sich mein bisheriger Lebensmittelpunkt drehte, bzw. zerteilte – meine Freundinnen. Es gibt viele Themen, die ich hier (noch) nicht mit euch besprochen habe. Und auch wenn es mir schmeichelt, dass es da draußen mehreren etwas bringt, dass ich offen mit meinen Baustellen umgehe, fällt mir dieses sehr schwer. Doch weil Corona den Albtraum wieder hochholt, den ich seit knapp einem Jahr hoffte, nie wieder haben zu müssen, geht es ihm jetzt an den Kragen.
MOF – den Begriff kenne ich aus Daniela Katzenbergers Reality-TV-Anfängen der deutschen Medienlandschaft – fand ihn und sie sowieso damals furchtbar amüsant, mit mir selbst hatte er nichts zu tun. MOF – Mensch ohne Freunde. Was ich seit Längerem vermute, bestätigt mir die Corona-Isolation. Ja, es gibt Menschen in meinem Leben, die ich seit über zehn Jahren kenne, die ich liebe, mit denen ich nicht verwandt oder zusammen bin und die ich aus vollem Herzen Freundinnen nenne. Aber die sehe ich, wenn es hochkommt einmal im Jahr.
Eine davon war über mehrere Jahre während des Studiums meine engste Person. Die Verbundenheit ist genauso stark geblieben und auf den wöchentlichen Whatsapp-Voicemessage-Austausch will ich niemals verzichten – aber er stellt keinen Ersatz für eine Freundschaft im Alltag dar.
Eine höre ich ein mal im Monat am Telefon und habe so viel davon und will immer noch mehr und es bleibt danach immer das schale Gefühl, dass ich so gern jetzt in diesem Moment mit ihr Wein trinken und danach heim gehen würde als drei Autostunden entfernt aufgelegt zu haben.
Eine hat mich oft besucht in den letzten Jahren, zwischendrin gab es keinen Kontakt, immer nur, kurz bevor man sich sieht. Die Treffen sind so unkompliziert und lebensfroh, wie gern hätte ich mehr davon. Mit zweien hat sich der Kontakt seit meinen Schwangerschaften stark reduziert. Dafür haben sie sich untereinander gefunden, manches soll wahrscheinlich so sein..
Mit einer habe ich regen Kontakt. Es ist eine Lebensfreunschaft, eine sehr intensive, die aber auch Konflikte mit sich bringt, für deren Austragung über 700 Kilometer Entfernung mir die Kraft fehlt. Die wir vor Ort wahrscheinlich in einer Stunde im Café klären könnten.
Eine hier aus dem Ort hätte Beste-Freundinnen-Potenzial. Aber sie hat andere Menschen in ihrem Leben und nicht wie ich vor zwei Jahren bei 0 begonnen und so bleibt es beim bereichernden, lustigen Ab-und-an-Kontakt.
Eine habe ich sehr gern, wir kennen uns unser ganzes Leben. Was es kompliziert macht – dass sie verknüpft ist mit den drei Mädels, wegen denen ich die Albträume habe. Die laut Corona nicht überwunden sind. Der Traum: Drei gegen mich – egal ob im Vergnügungspark, auf einem Geburtstag oder in Armageddon-ähnlichen Sequenzen. Was sich im Schlaf in wenigen Stunden überspitzt darstellt, verursacht im Leben jahrelange echte Qualen. Der Grund: gegenseitige, ungeklärte Verletzungen mit dem Resultat einer aufgelösten Verbindung. Plus: dass sie untereinander seitdem eng befreundet sind – unabhängig von unserem Konflikt.
Ich vermute, dass nicht sie den Albtraum ausmachen, sondern die Leere, die ich in mir verspüre. Seit ich vor vier Jahren zu meinem 30. Geburtstag 10 Freundinnen nach London einlud und danach feststellte, dass es wahrscheinlich keine 10 funktionierenden Freundschaften sind. Dass ich, seit ich weggegangen bin, oft nicht weiß, wen ich treffen kann, wenn ich das Bedürfnis nach Weiberkram habe. Und jetzt in Coronazeiten keine zum anrufen habe, die meinen Alltag kennt. Um von gestern zu erzählen. Von den Jungs, die so glücklich sind, nicht in die Kita zu müssen, und sich dadurch der tägliche Morgenfrust aktuell in Luft auflöst. Mein Psychologe meint, er kann das alles sehr gut verstehen. Es ist nicht leicht im Erwachsenenalter neue, feste, intensive Freundschaften zu knüpfen. Ich hoffe, er liegt diesmal daneben. Auch wenn es keine Sex-and-the-City-Clique mehr wird, doch wie meine Großtante einst sagte: „Die Eine solltest du haben auf dieser Welt, eine die zuhört und die zu Dir hält. Eine, die Deine Träume kennt. Eine, die dich deshalb nicht Träumerin nennt. Eine Freundin.“
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