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WAHRHEIT

Sie essen ihre Obst-und Gemüseteller jeden Tag auf und lieben ihr Müsli am Morgen. Sie gehen spätestens 19.30 Uhr ins Bett und schlafen nach der Gutenachtgeschichte und einem dicken Kuss ein. Sie heben jedes Mal die Klobrille hoch oder noch besser setzen sich jedes Mal drauf. Sie lieben ihre Spielecke und beschäftigen sich stundenlang darin selbst ohne dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Ich sehe jeden Tag bezaubernd aus, habe sehr viel Sex, führe aktuell viele tiefgehende Gespräche mit Freunden und entdecke regelmäßig versteckte Talente, wenn ich nicht gerade meinem neuen Hobby, dem Gärtnern, fröhn oder auf Instagram Lügen verbreite. Übermorgen werde ich zum 14. mal 21.

Finde den einzigen wahren Fact! Und erzähl mir von deiner Wahrheit 🤗

SO VIELE FRAGEN

Wenn Du Single bist, können es die Leute nicht lassen, Dir spätestens ab 25 intime Fragen über dein Liebesleben zu stellen und werden nicht müde, zu erwähnen, dass die richtige Person schon noch auftauchen wird und Du ja noch Zeit hast, zum Kinderbekommen.

Wenn Du verliebt bist, hören sie nicht auf zu fragen, wann es denn so weit wäre.

Wenn Du ein Baby hast, wirst du direkt gefragt, ob Du bereit für ein zweites bist.

Wenn Du zwei Kinder hast, fragt keiner mehr was. Ganz selten: „Aber ihr denkt nicht schon an ein Drittes – oder?‘

Wenn man mit dem dritten Kind schwanger ist, hört man Getuschel, das in die Richtung geht ‚die kann man auch nicht allein lassen, die zwei hey‘ und öfter als ‚Herzlichen Glückwunsch‘ heißt es, ‚wow, mutig, da habt ihr euch ja was vorgenommen‘.

Was einem beim 4. Kind gesagt und nicht gesagt wird, werde ich in diesem Leben nicht mehr erfahren. Aber die Sprüche, die Menschen denken ungefragt bringen zu können, waren auch bei drei Schwangerschaften nervig genug.

Jede Frau, die mich nicht fragt, ob es morgen so weit wäre, weil „lang kann es ja nicht mehr sein?!“ bekommt von mir aktuell unbewusst einen Orden. Und der DHL-Fahrer, dem heut fast die Augen rausgefallen wären beim Anblick meiner bald stillenden wippenden Brüste, der bekam ein Lächeln, weil sein Blick außer Begeisterung keine versteckte Kritik enthielt. 

Ob keins, ob eins, ob zwei, ob fünf – ich kenne keine Frau, die gern über ihr Datinglife ausgequetscht wird, wenn sie nicht selbst damit anfängt. Die es okay findet, nach einer möglichen Schwangerschaft gefragt zu werden, wenn es vielleicht einfach nicht klappt oder sie generell keine will. Die sich gern rechtfertigt, wenn sie nicht mehr als ein Kind will oder gerade erst eine Geburt hinter sich hat oder gern ein zweites wöllte, aber der Partner nicht. Oder die Bedenken Fremder hören will, wenn sie für die anderen gefühlt gerade eine Fußballmanschaft zeugt. Ich kenn keine. Ihr?
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#familienplanung #privatsache #privatangelegenheit #nervigesprüche #datinglife #singleleben

MENTAL LOAD

Heute hab ich:
– an einem fertigen Frühstückstisch gesessen und mich irre darüber gefreut. 6,5 Jahre Beziehungsarbeit zollen endlich ihren Tribut, jibbiehjibbiehyeah. Wie jetzt, ist doch selbstverständlich, dass auch der Mann am Wochenende zeitig aufsteht? Hmm. Genauso selbstverständlich wie, dass Muddie nachts hochschwanger Geschenke für die Gurken packt und so tut als wüsste er nicht, wann seine Söhne geboren sind und als könnte er das im Wochenbett nicht selbst übernehmen. Nee, am besten auch die Kinderparty vororganisieren und Erinnerungszettel schreiben; dass die Kita an beiden Tagen Kuchen bekommt. Wenn ich Eier hätte und so umgangen werden würde, würde ich denken, jemand hätte sie mir abgeklemmt. Ich habe aber keine und er findet es okay, ich glaub sogar, es gibt ihm ein warmes Gefühl. Was bring ich der Prinzessin nun später bei: kann sie sich bei nem fertigen Frühstückstisch aus Gleichberechtigungsgründen sichtbar freuen oder lieber nicht? Und soll sie Erinnerungszettel schreiben oder lieber leben und leben lassen?
– 2h Spaziergang durch strömenden Regen überlebt (Notiz fürs nächste Leben: I need a bigger Kinderliedreportoire than Oldmacdonaldhatnefarm. Mental Load-Interessierte: Dad hat nicht mitgesungen, war okay für ihn)
– das Bettlaken entfernt, auf das unser Jüngster gern uriniert, weil er „ein großer Junge ist & Windeln nur für Babys sind!“ Wird Zeit, das Mental Load-Thema bei ihm anzusprechen, oder nicht. 
– für 300€ bequeme Klamotten fürs Wochenbett bestellt, die ich danach nie wieder sehen will – was genau müssen sich werdende Väter nochmal zulegen? (*GEWINNSPIELBREAK: wer will meine Umstandskleidung? Alles hochwertig & schicki! Schreibt nen Kommentar – der, bei dem ich laut lache, ohne dabei einzupinkeln, gewinnt!!)

Heute werd ich:
– wegen eines neuen Lakens nicht mehr aufstehen, außer jemand rollt mich runter und wieder rauf und da ich aktuell in diesem Haus von allen am meisten wiege, bezweifle ich, dass das heute noch passiert („Honey, denkst du bitte an ihr Abendbrot?“)
– dankend feststellen, dass mein Lieblingsinder, wenn er „einen großen Lassi bitte“ hört, eine 1-Literflasche abfüllt. Ich habe sie mit niemanden #Mentalload mäßig geteilt.

WIE DU

Ich bin die Mama, die ohne Taschentücher losrennt und das seit knapp fünf Jahren laufender Nasen. Ich bin die Mama, die öfter Erinnerungszettel im Kitafach findet, es geht um Windeln und Feuchttücher, den Wäschebeutel, der längst aufzufüllen ist oder vergessene Unterschriften für vergessene Elternabende. Ich bin die Mama, die jedes Mal überrascht ist, wenn die Erzieherin uns einen schönen Urlaub wünscht. Die dann mit der Kopie der Jahresplanung in der Hand, die sie vor einem halben Jahr wohl unterschrieben hat, vor der Kita laut „scheiße“ sagt, und parallel das Fahrrad mal wieder völlig überladen zusammenbricht, während es anfängt, in Strömen zu gießen. Ich bin die Mama, die zuhause angekommen erstmal in den Wäscheraum geht, um laut zu schreien, während die Jungs laut toben. Urlaub also. Nach drei Monaten Corona daheim. Jetzt wo sie sich endlich nicht mehr mit Füßen und Händen wehren, sondern freiwillig die Tür durchdrücken, mit Kuss und habdichliebMama und bis später und tritrawunderbar.

Ich bin die Mama, die dann kurz überlegt, ob sie dem Bedürfnis nachgeht, sich mit alten SATC-Folgen ins Bett zu legen und die Jungs machen zu lassen, bis einer schreit, die dann aber tief durchatmet, sich an die Brüste fast und tschaka sagt, leere Blätter und Stifte auf den Tisch stellt, den Laptop daneben zur Recherche und die Jungs fragt: „Und, wo wollen wir dieses Jahr in den Urlaub hin? Lass mal brainstormen!“ Und der Große zum Kleinen so grinsend „brainstormen? Was hat die Mama gesagt. Waaaaaaaaah“ und ich die Spannung in ihren Augen sehe, die so ansteckend ist, dass wir ein paar Tage später noch grinsender spontan in die Berge fahren und uns bei der netten Frau auf dem Spielplatz fürs Taschentuch bedanken.

Ich bin die Mama, die täglich auf sämtliche Ereignisse reagieren muss, die an sich nicht wirklich in ihren aktuellen Ablauf passen. Und das obwohl schon die regelmäßigen Verpflichtungen den Tag sprengen, zumindest fühlt es sich oft so an. Die spontan sein muss, um alle bei Laune zu halten. Die organisieren muss, damit es weitergeht. Die 24/7 von Liebe und Sorge begleitet wird. Die nie aufgeben kann, weil viel zu viel dranhängt. Ich bin eine ganz normale Mama. Wie Du!

MUTTERSCHUTZ

Die letzte Woche vorm Mutterschutz. Vorm selbstgewählten Mutterschutz. Vier Wochen unbezahlten Mutterschutz. Danach so lang ich will unbezahlten Mutterschutz. Auftraggeber freiberuflicher Mütter zahlen in der Regel selten, wenn jemand überlegt, ein Kind zu gebären, weißt du. Nein, ich finde das nicht schlimm, arbeite ja freiwillig so. Könnte mir noch die Mühe machen, den Elterngeldantrag ganz akribisch auszufüllen, um mehr rauszuholen, ach nee, warte mal, das Kreuz beim Mindestbetrag reicht, für Freiberufler zählt ja das vorangegangene Steuerjahr, da war ich ja noch in Elternzeit mit Kind2. Findest du das nicht fies? Nee du, ich bin froh, dass ein Kreuz reicht. Also nee, wie kommt man denn auch dazu, ein Kind zu bekommen, wenn das nicht vorher akribisch geplant wurde, um finanziell auch bestmöglich dazustehen. Und jetzt auch noch umziehen wegen seinem neuem Job? Weiß man sowas nicht vorher. Aber denk dran, für die Geburtsurkunden braucht ihr die Meldebescheinigung und wegen Kindergeld, ja, wenn einer von beiden Ausländer ist, muss man das jährlich in zig Formularen bekunden, dass man immer noch Anspruch hat. Beleghebamme hast du auch keine? Ja klar, wenn man sich nicht früh genug kümmert.. Kitaplätze für die Großen in Berlin brauchst du gar nicht erst versuchen. Ne neue Wohnung? Mit drei Kindern? Viel Glück. Na gottseidank geht er jetzt wieder arbeiten oder. Wie jetzt, du weißt noch nicht, wann du wieder anfängst? Aber die Streptokokken-Untersuchung machst du, oder? Ach, keine Zusatzversicherung? Da müsst ihr unbedingt mal wechseln. Und denk an das Bonusheft und die Rente sichern mit drei Kindern wäre ja jetzt auch mal angebracht oder nicht. Gott, ist der Bauch groß, sicher, dass da keine Zwillinge drin sind?

Ich bin so froh, dass ich zwei Ohren habe, die auch diese Schwangerschaft gut funktionieren, damit all die Bedenken anderer das zweite Ohr direkt verlassen können. Und dankbar, dass ich in Ländern gewohnt habe, in denen es zwar wenig Geld vom Staat, dafür aber auch weit weniger Dinge gab, die man „falsch“ machen kann und trotzdem Kinder geboren werden. Und glücklich, dass wir jetzt hier wohnen, wo es wirklich unheimlich viel gibt für Familien zum Freuen.

DATE MIT SICH SELBST

Im Gespräch mit einer guten Freundin, wir kennen uns seit 25 Jahren, stellen wir fest, uns heute selbst noch nie so nah gewesen zu sein wie jetzt als Mutter. In den Spiegel zu schauen und das, was man sieht, zu mögen und nicht nach Fehlern zu suchen – gar nicht so leicht in einer Zeit, in der man am Limit ist & kleine Tyrannen den Tag bestimmen. Es dauerte Jahre, bis ich mich für nen Date mit dem Bachelor im Bett vorm Laptop entschied, wenn O-E schlief, statt für das Auffrischen von Kontakten, die nachwirkend eher giftig als aufbauend waren. Oder für den Galeriebesuch der Ausstellung, die ich unbedingt sehen wollte, statt Kaffee zu trinken im Park mit jemandem, nach dem mir nicht wirklich war, in dem Moment, nur, um überhaupt jemanden zu sehen. Als E-D dazu kam und es mit Neugeborenem und knapp Zweijährigem oft nur ums reine Überleben eines Tages ging, brachen die Kontakte, die wenig Verständnis für drei Bedürfnisse zeigten und nur die uneingeschränkte Aufmerksamkeit ihres Gegenübers forderten, vollends ab. Ziemlich schmerzvoll war das erst und hat lang gedauert. Heute erkenne ich in der Entgiftung meiner sozialen Kontakte mit den schönsten Nebeneffekt, den die Kinder mit sich gebracht haben. Man hat keine Zeit mehr für Menschen oder Dinge, die einem nicht gut tun. Man hat ja selbst keine für die, die immer gehen. Aber wenn man sie mal hat, die Zeit, dann mach ich nach fünf Jahren Mamasein heute nur noch das, was mir was bringt. Malen. Schreiben. Die Badezimmertür zu. Menschen treffen ohne Datefiaskorisikopotenzial. Laufen. Liegen. Träumen. Popeln. Pupsen. To-Do-Listen schreiben, um sich zu sortieren, wissend, dass davon wenig umgesetzt wird und das Erfassen trotzdem besser tat als nen Treffen mit jemanden, der stresst. Handy scrollen. Kinderkleidung sortieren. Immobilien googlen. Hände eincremen. Fußsohlen hobeln. Ganz ehrlich: für die nächsten Jahre wird die Beziehung zu uns selbst die einzige sein, die wirklich spannend bleibt, weil kein Alltagsfrust sie killen kann, weil sie so selten passiert. Die Angst, was zu verpassen, die beim ersten Kind noch öfter angepocht hat, ist weg. Dafür die Erkenntnis: man verpasst nichts. Außer nen hammer Date mit sich selbst.

JEPP, DAS SIND WIR


Ich habe immer gedacht, wir sind dieses eine Paar, dem das nie passieren wird: langweiliger Sex. Unser Liebesleben ist zwar noch selten existent, aber all das, was es vor den Kindern war – wild, spontan, lang, laut, hell, gleich nochmal – ist es nicht mehr. Als vor fünf Jahren während einer der täglich stattfindenden leidenschaftlichen Verrenkungen unser Sohn entstand, konnten wir der Ärztin kein Empfängnisdatum nennen. Heute weiß ich oft schon, wenn ich ins Wohnzimmer komme, dass ich mich nicht wie früher auf ihn drauf setzen werde, sondern ‚Zwischen Tüll und Tränen‘ den Vortritt lasse und dass das für mich völlig okay und für ihn leicht niederschmetternd ist und niemand hier weiß, wann er das nächste Mal zum Zuge kommen wird.
Im Vergleich zu anderen Muttifreundinnen war ich immer stolz, wieviel Bock wir noch aufeinander hatten. Dass es einfach ist zwischen uns – zumindest was Sex betrifft – dass es oft passiert und dass ich sterben könnte, so schön und geil und lebendig wie ich mich dabei fühle. Ich dachte, wenn sich zwei im Urlaub kennenlernen und sie danach so oft es geht zwischen England und Deutschland hin-und-herfliegen, um das komplette Wochenende miteinander im Bett zu verbringen – dass solche den guten Sex für immer haben.
Und jetzt – zwei Kinder später, ist er da – mein persönlicher Albtraum – und mein Mann kann sich freuen, wenn ich mir mal die Beine rasiert habe. Dass ich mal Strapse getragen habe, scheint wie ein anderes Leben. Mehr als ein Stellungswechsel ein anderes Universum. Das sind doch nicht wir, die zwei, die sich beim Einräumen des Geschirrspülers „später Sex?“ zuraunen. „Ja.“ „Ok.“ Und dann, wenn die Kleinen schlafen, im Schlafzimmer unter der Decke ein paar nervöse Sprüche wechseln und nach kurzem Vorspiel die immer gleiche Nummer abziehen. Das müssen Roboter sein. Oder langweilige Arbeitskollegen. Aber doch nicht wir! Scheiße, aber wir sind es. Ich bin jetzt die Frau, die beim Sex im Kopf Einkaufslisten schreibt und Geburtstagsgeschenke für unsere Söhne plant. Und sich wundert, dass sie nicht mehr kommt. Jepp, das sind wir.

WEIBLICHE KRAFT

Meine Schwiegermutter und ich hatten schon unterschiedliche Auffassungen. Aber auf drei Dinge kann ich mich zu 100% verlassen und die liebe ich am allermeisten an ihr: sie liebt das Frausein, mit allem was dazu gehört. Es darf einem auch mal nicht so gut gehen, man muss sich dann nicht mal erklären, sondern kann einfach sein und selbst entscheiden, wann man wieder bereit für was auch immer ist. Ihr Haus ist ein Ort, in dem man ein Hallo und eine Umarmung zur Begrüßung bekommt. Drei Dinge, die ich von daheim nicht kenne. Deren fehlende Existenz und die Narben davon mir erst mit über 30 wirklich bewusst wurden. Die ich nachwievor nicht wirklich betrauert habe, denn die Einsicht, sich als Kind und Jugendliche zuhause nicht sicher gefühlt zu haben, tut weh. Noch mehr die Erkenntnis, dass es wirklich so war und nicht mehr aufzuholen ist und auch kein anderer Mensch – weder der Partner noch eine gute Freundschaft – diesen Missstand ersetzen kann. „Es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit zu haben“ – an dem Spruch habe ich mich zwei Jahrzehnte festgekrallt. Das Herz voller Hoffnung, dass sich jemand „um mich kümmern wird“, obwohl ich längst erwachsen war. Schwachsinn. Eine Kindheit kann man nicht nachholen. Wohl aber ein schönes Erwachsensein. Dass ich „Kind sein darf, ohne harte Konsequenzen, wenn mal etwas nicht klappt“ – der Wunsch ist in Erfüllung gegangen. In meiner Ehe darf ich verpeilt und bekloppt sein, ohne dafür vernichtend kritisiert zu werden. Ich darf Filme schauen, ohne als langweiliger Nichtsnutz betitelt zu werden. Ich darf Makeup tragen, ohne Schlampe genannt zu werden. Ich darf Kleider tragen, ohne, dass jemand sagt, mit meiner Figur geht das nicht, ich solle zu ner Hose greifen, stattdessen bekomme ich sogar Komplimente dafür. Ich darf ohne BH rumlaufen, aber nur, weil ich das will und nicht weil mir niemand einen kauft, obwohl ich längst einen bräuchte. Ich darf einen Job verlieren, ohne dass gesagt wird, dass klar war, dass ich keine Ärztin oder Anwältin werde. Ich darf sein. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Und wir dürfen alle die Narben betrachten und beweinen, so lang wir das brauchen, ohne uns zu rechtfertigen. Nur so kann man heilen.

9. MONAT

Ich laufe BH-los und selfieverliebt durchs Land. Beziehungsweise 5km jeden Morgen über die Felder. So fit habe ich mich weit vor der Schwangerschaft nicht mehr gefühlt. Symphysenlockerung, Ischiasnerv & Hämmorhoiden sind Kumpels von gestern – das Hinlegen und wieder Hochkommen bei der Vorsorge dauert auch keine 10 Minuten mehr. Fit wie ein Turnschuh sind wir – die Maus und ich. 10 Minuten CTG-Messen? Nicht mit ihr. 3 Sekunden bekommt die Schwester, dann wird weitergeturnt. Und auch wenn sich Muttis Blutdruck- und Blutzuckerwerte immer noch im Grenzbereich bewegen und zahlreiche Insulin&Co-Drohungen im Raum stehen, verlassen die heute problemlos mein Ohr, wo sie vor paar Wochen noch für Trübsal gesorgt hätten. Wunder der modernen Medizin in allen Ehren – aber so geflasht wie von den langen Spaziergängen, täglichen Yogaeinheiten und der zuckerfreien Ernährung war ich schon lang nicht mehr. I feel like Beyoncé und Penelope in einer Person und aufgrund meiner sonst ausbleibenden Instalikeable-Pics werdet ihr mir dieses neue Hochgefühl an Selbstliebe nicht übel nehmen, nicht wahr? Ich kenn mich ja mittlerweile 34 Jahre, das meckern kommt eh schneller zurück als gedacht. Aber gerade eben fühl ich mich wie Wonderwoman – dieses 100% Frausein – kurz vor der Entbindung – bitte, bitte, bleib und halte für immer an. Wer es zum dritten Mal durchmacht, weiß: bald nach der Geburt, wenn die wehtuenden Nippelphase vorbei ist, kommt die Haareausfallwelle und der erste Blick Ganzkörper nackt in den Spiegel, wenn das Baby raus ist, der ist meistens (wenn man nicht Gigainfluenzer ist) auch nicht soo pralle gut zu ertragen und dann die schlaflosen Nächte und die munteren Kleinkinder drumrum… Hach, the Zukunftsmusik is a tune, den ich gerade noch nicht auflegen will! Denn heute, hier und jetzt im 9. Monat fühl ich mich wie eine bald gebärende Göttin. In zwei Wochen beginnt der Mutterschutz aka 1 Monat Me-and-my-babybauch-time & wenn jetzt noch jemand nen Gipsabdruck & Fotoshooting zur Erinnerung macht, ohne dass ich davon was mitbekomme (weil ich beides hasse und trotzdem gern hätte), dann läuft der Hase. Achso: den Kopf hat sie immer noch oben, von wem sie das wohl hat..

ZUM DRITTEN MAL

Als O-E 9 Monate wurde, spürte ich ein tiefes Bedürfnis nach Vereinigung. Nicht nach der wilden Variante, nach der man sich fragt, warum man das nicht öfter macht. Nein, nach Befruchtung. Mein Körper und meine Hormone signalisierten im Chor: los, macht ein zweites Kind! Als 9 Mädels für ein gemeinsames Partywochenende in Eastlondon aus Deutschland anreisten, merkte ich schnell: abschalten ging nur mit vielen Drinks, den Rest der Zeit war ich in Gedanken bei Mann und Kind. Auch wenn es toll war, mal wieder hacke auf Highfeels im Club zu stehen: ich war in den letzten 9 Monaten eine andere geworden. Oder: es war einfach zu früh. Mein Mann meinte, ein Abstand von 3-4 Jahren wäre für die Eltern entspannter, hätte er gelesen, wäre aber dabei. Bei jedem Einwand von außen („Wer soll das bezahlen?“; „Bist du sicher, der Kleine braucht Euch doch noch!“; „Du erzählst doch so schon, wie stressig eins wäre?“) war ich mir sicherer. Kinder sind nicht teuer, das wusste ich mittlerweile und es gibt nichts Schöneres als Geschwister, davon war ich seit jeher überzeugt. Als es nach den ersten drei Zyklen nicht klappte, gab ich erstmal auf. Vier Wochen mit Rucksack und Einjährigem standen an. Der Trip war nicht halb so schön & entspannt wie erhofft, stellten wir nach 28stündiger Heimreise fest und bestiegen uns gegenseitig zum Stressabbau. Drei Tage später spürte ich, dass sich in mir was tut. 3,5 Jahre später, zum dritten Mal mit dickem Bauch, weiß ich: drei Jahre Abstand sind besser. E-D küsst seine Schwester und man muss sich nicht fragen, ob er überhaupt versteht, was da passiert. Aber hätte ich damals nicht auf mein Herz gehört, wäre er heute nicht hier. Wenn man keine (weiteren) Kinder will, zwing dich nicht dazu. Aber wenn du willst und es Gründe dagegen gibt, die nichts mit Schwierigkeiten zu tun haben, schwanger zu werden, schau genau hin, wer oder was dich davon abhält. Ob der Grund noch in ein paar Jahren relevant wäre. Ich hab viele Frauen kennengelernt, die meinen, „zu lang“ gewartet zu haben. Wer überlegt, ob es sich lohnt: während eine im Bauch tollt, küsst einer sie, der dritte kuschelt sich mit einem „Guten Morgen Mama“ dazu. So sehr habe ich nie zuvor geliebt.