EINE EIGENE CREW

Wenn ich mit 16 meinem heutigen Ich auf der Straße begegnet wäre, hätte ich gedacht: die sieht gut aus. Wow, ist der Bauch schön. Das muss ein irre Gefühl sein. Die wohnt bestimmt mit ihrem Mann zusammen in einem schicken Haus irgendwo mit Pool. Und am Wochenende fahren sie in den Urlaub, die Kinder toben auf der Rückbank, auf der Fahrt wird viel gelacht. Die haben bestimmt gar keine Probleme und bei denen läuft alles wie geschmiert. Hoffentlich wird sich das bei mir auch mal so ergeben.

Schon mit 16 habe ich manchmal in der Dusche meinen Bauch rausgestreckt, im Spiegel gegenüber beobachtet und mit einer Hand gestreichelt. In den darauffolgenden zehn Jahren ist das immer mal wieder vorgekommen. Ich wusste wenig darüber, was ich wirklich wollte. Aber die Sehnsucht nach einer Familie, einer eigenen kleinen Crew, an beiden Händen Kinder, vielleicht noch vorn eins dran – die war immer da. Mindestens genauso groß der Zweifel, ob das jemals eintreffen wird. Wer so oft gefühlt am Ende mit der Welt ist, dem passiert das nicht, dachte ich. Fand mich hässlich und war felsenfest überzeugt, dass es genau daran scheitern wird. Das ein Traum ist, der nur für andere bestimmt ist und bei Menschen, innerlich so zerrissen, spätestens mit 27 sowieso alles vorbei ist, wenn überhaupt.

Als ich mit 27 nach einer Trennung ziemlich happy und befreit allein durch Thailand stiefelte und beim Armdrücken auf Kho Phangan Frieden mit mir und meinem Körper schloss, fasste ich mir nicht mehr an den Bauch. Denn die Sehnsucht nach einer Familie war noch da, aber die ganz großen Zweifel waren weg. Anderthalb Jahre später streichelte meine Hand die erste leichte Wölbung. Drei Jahre später nochmal. Und sechs Jahre später jetzt wieder. Und die gewünschte Crew ist da. Sogar mit „Wir sind komplett“-Gefühl. Jepp, auf der Fahrt in den Urlaub am Wochenende wird bestimmt auch gelacht, vom Beifahrersitz aber nur aus, wenn ich es schaffe, abzuschalten und runter zu fahren, bei all dem krassen Scheiß, an den 24/7 zu denken ist, wenn man eine Familie hat, von dem einem vorher keiner erzählt. Schön ist’s trotzdem. Oft. Und anstrengend. Die alte Karre von Tante Traude läuft hoffentlich. Wie geschmiert.

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