Auf Instagram wird gerade eine Frau zerfleischt, die ihr Tattoo offen zeigt und ihre Geschichte dazu. Es zeigt ein Datum, der Tag an dem sie den Herzschlag ihres ungeborenes Kindes das letzte Mal schlagen gesehen hat, kurz vor der Fehlgeburt. Vielen missfällt der Stil, zu sehr erinnere er an Kennzeichnungen der Häftlinge aus NS-Zeiten. Ist das erlaubt? Darf sie sich jetzt bekloppt fühlen, weil sie diese Verbindung nicht gesehen hat, als sie eine persönliche Tätowierung zur Verarbeitung ihres Schmerzes nutzte? Für die Kommentatoren kein Problem. Wie stark die Verzweiflung ist bei nichtfunktionierenden Schwangerschaften – scheiß drauf – sie macht sich über Juden lustig – unbewusst hin oder her.
Ich habe 6 Tattoos, die mir im Leben zu gewissen Zeitpunkten geholfen haben, gewisse Dinge zu verarbeiten. Das erste mit 18 gestochen, von Angelina Jolie inspiriert, um meine Jugend zusammenzufassen, füllt meinen kompletten Bauch, der damals flach war, heut sieht von dem Spruch dank überlappendem Bauchring niemand mehr was – die Buchstaben durch zwei Schwangerschaften zur absoluten Unkenntlichkeit verzerrt. Eins teilte ich mit meiner damals besten Freundin, die Freundschaft hat es nicht überlebt, trotzdem steht es für 3 Jahrzehnte langes gegenseitiges Begleiten. Der thailändische Spruch auf dem Fuß fällt mir heute selten ein, damals beim Stechen war er essentiell. Mein Lebensmotto auf dem Rücken hat sich im Nachhinein als Claim der American Airforce und Einladung für plakativ-perverse Anmachen herausgestellt – und die will ich ganz sicher nicht promoten.
Menschen leiden ab und an und jeder hat sein Paket zu tragen. Die, die leise trauern, die, die sich getrauen, ihren Schmerz öffentlich zu machen, die, die ihn sich tätowieren. Allen gebührt Respekt. Unlöschbare noch immer unfassbare Naziübel sollten sicher nicht verunglimpft werden, aber das hatte sie auch ganz bestimmt nicht vor.
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