lieben

Karl Ove Knausgård schreibt sechs fette Bände über sein Leben, die Monate unberührt auf meinem Stapel lagen. Ehrfurcht war ein Grund, dass ich sie nicht angefasst habe. Geht mir oft so mit der Kunst von Menschen, die ich bewundere, dass ich sie nicht gleich konsumieren kann. Da schreibt der so ehrlich, direkt und unverblümt über die Menschen in seinem Leben, verdient viel Geld damit und kommt ungeschoren davon. Kommt er nicht, stellt sich im sechsten Band heraus – die Scheidung ist eingereicht, er würde es trotzdem immer wieder so machen, das Schreiben darüber hat ihn befreit. Während ich seinen zweiten Band „Lieben“ lese, bin ich voller Hoffnung, dass diese Beziehung, die so unheimlich nah und zerbrechlich und intim beschrieben wird, es dennoch übersteht. Was macht den Unterschied, frag ich mich – die, die sich mehr erhoffen und sich trennen oder die, die bleiben und versuchen das Beste draus zu machen. Ich hoffe, dass er darüber noch schreiben wird. So oft würde ich gern Mäuschen bei anderen spielen, nicht aus Sensationslust, sondern Interesse am Ergründen der Zwischenmenschlichkeit, wie es anderen ergeht, beim Versuch, eine lange Beziehung zu gestalten. Denn den wirklichen, ehrlichen Einblick bekommt man so gut wie nie. Karl Ove gibt mir Mut, mich eines Tages auch zu trauen, ohne Rücksicht auf Verluste zu schreiben, weil ich insgeheim weiß, das ist, was ich wirklich zum Überleben brauche. Genauso wie die lange Partnerschaft, die so selten funktioniert. So oft will man jemand anders sein als man ist und probiert sich über Jahre aus und am Ende ist keine Zeit für die Dinge, von denen man längst weiß, dass sie einen wirklich erden. Jeden Tag, an dem ich mich nicht getraue, so zu schreiben, entferne ich mich ein Stück von meinem Lebenstraum, dem geschriebenen Buch. So oft hab ich probiert, es anders anzugehen – ohne das persönlichwerden, ohne, dass es die Menschen aus meinem Leben mit reinzieht und es zu Verletzungen kommt. Aber es klappt nicht, da kann ich meinen Stil noch so sehr bekämpfen, er bricht sich durch und kein anderer funktioniert. Kennst du deinen Lebenstraum? Und lebst du ihn schon?

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