Mein Sohn modelt

Mein Sohn modelt. Oder: mein Sohn hat mal gemodelt. Ich bin mir über den weiteren Verlauf dieser Entwicklung noch unschlüssig. Die Geschichte dazu kommt hier:

Ich recherchiere seriöse Agenturen und werde fündig. Die Vertragsunterzeichnung läuft entspannt. Während wir uns als Eltern von der Agenturchefin alles erklären lassen, spielt er mit seinem Bruder. Nach einer Woche hat er seinen ersten Job. „Wir fahren jetzt zum Photoshooting. Es werden viele Menschen da sein, die bestimmt supernett sind und dann wollen die ein paar Fotos machen, ist das okay für dich?“ „Kann ich Paw Patrol gucken, Mama?“ Seine drei Folgen, die er sonst nur am Wochenende zur Verfügung hat, werden direkt nach der Ankunft nötig, als sich die Stylistin an seine Haare macht. Dass er sie überhaupt ranlässt, grenzt für mich an ein Wunder. Und dann noch über eine Stunde? Die hippen Mohnbagels mit Heidelbeermus findet er noch ganz nett, als es dann aber ans erste Outfit geht, ist seine Geduld am Ende, Paw Patrol hin oder her und der erste Moment ist da, an dem ich mich als Mutter schlecht fühle und mit ihm an der Hand das Studio verlassen will. Nach dreimütigem Überreden („guck mal, hier sind ganz tolle große Bälle, schau mal, was die anderen Kinder machen“) gibt er auf, lässt mich gewinnen und läuft zum Set. Eine große Halle, mindestens 12 Menschen, Scheinwerfstrahler, er schaut ganz verloren um sich und mein Mutterinstinkt wird getriggert und will die Reisleine ziehen. „Ist es sein erstes Shooting?“, fragt mich die Mum neben mir, die mit ihrer Tochter extra aus China eingeflogen wurde. „Mach dir keine Gedanken, bei meiner war es am Anfang auch so. Jetzt macht ihr das super viel Spaß!“ Ich fühle mich noch beschissener. Die Vorstellung, dass es ihm in den nächsten Jahren irgendwann Spaß machen könnte, jemanden an seine Haare zu lassen oder zwei Klamottenwechsel hinzulegen, ist einfach zu irreal. Das Shooting beginnt, ich sehe ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Warum greift niemand ein, frag ich mich..’Es ist nicht so schlimm, wie du denkst‘, versuche ich mir einzureden. Nach dem ersten Durchgang will er nach Hause und mir fällt die Überredungskunst aus. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Team, interagieren sie spielerischer, er taut auf und ich sehe das erste Lächeln. Plötzlich muss ich nicht mehr überreden und die letzte Runde läuft mit einem entspannten Kind und einer aufatmenden Mama. Wozu der Stress? Damit er sich später über ein finanzielles Polster freuen kann? Um sein Selbstbewusstsein zu stärken? Mir fallen tausend natürlichere Wege dafür ein. Ein Monat später zeige ich ihm voller Stolz die fertigen Bilder und er beginnt happy ohne Aufforderung und Überzeugungsarbeit seinen Victory-Freudenstanz. Weil er sich freut über die schönen Fotos? Eher weil Mami so strahlt – das weiß doch jedes Kind. Ich bin stolz auf Dich, mein Schatz! Aber ich werde Dich nicht mehr dazu überreden, wenn du keinen Bock hast, das verspreche ich Dir. Und wenn Du eines Tages selbst Lust hast, zu modeln, weißt Du schon jetzt, dass du das Zeug dazu hast. 

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