Hier würde ich mich hinsetzen, wenn das Telefon klingelt, „gib mir 10 Sekunden“ sagen, die Treppen rauf und ins Zimmer huschen, „pass du kurz auf die Gurken auf, hab nen wichtiges Telefonat“ runterschreien, schnell die Tür hinter mir zuziehen, den goldenen Telefonhörer an das Handy stecken und mit meiner Freundin reden. Ich weiß noch, wie ich die Wandfarbe ausgewählt und mir vorgestellt habe, wie oft ich da sitzen würde, den Hörer ans Ohr geklemmt, ein Glas Wein auf dem kleinen Tisch abgestellt, das Mani- und Pediküreset griffbereit, ganz im Gespräch vertieft mit einem Lieblingsmenschen. Zwei mal saß ich hier im letzten Jahr. Der Hörer wurde einmal eingestöpselt. Das Handy zeigt keine Anrufe mehr (außer die von der Kita oder meiner Mutter), die App allerdings 2 Millionen Sprachnachrichten. Dazwischen immer wieder Texte und Bilder und zig Versprechungen und Planungsversuche eines Telefonats. In depressiven Schüben fühlt man sich sowieso schon störend, ein paar wenige Male habe ich mich dennoch getraut, zu fragen, ob wir telefonieren können. Direkt anzurufen ist wie russisches Roulette, das probiert man paar mal und lässt es dann bleiben, zu leicht fällt es, den Anruf zu ignorieren und stattdessen kurz zu tippen oder draufzusprechen, das man sich später meldet. Depressiv bin ich gerade nicht, aber meine Ehe steht auf dem Spiel und ich traue mich mal wieder, nach Telefonaten zu fragen. Was muss passieren, dass man nicht vertröstet wird? Muss man schon auf dem Hochhaus stehen? Ich hab auch schon öfter jemanden hängengelassen, fällt mir ein. Da werd ich dranbleiben, das soll nicht mehr vorkommen. Vielleicht bald zwei Weingläser lang auf dem Sofa zum telefonieren.
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