7. SSM und ich kann nicht schlafen. Nicht die Purzelbäume meines Babys im Bauch halten mich wach, sondern die Eindringlichkeit der letzten Wochen. Seit sich mein Mann zum ersten Mal von sich aus zum Thema Rassismus geäußert hat. Seit ich von so vielen PoC so viel darüber gehört habe, wie nie zuvor. Seit Gespräche mit weißen Influenzern, deren Profil von außen super liberal wirkt, zeigten: scheiße, die sind ja viel ignoranter als gedacht.
Für uns war das ein Weckruf, den wir dringend brauchten. Dass wir hier wirklich nicht länger bleiben können – trotz Natur, frischer Luft und schickem Haus. Die ersten rassistischen Begegnungen schluckten wir runter. Oft hieß es: „Quatsch, das haben die nicht so gemeint, das hast du falsch verstanden. Ist doch klar, so auffällig wie ihr seid.“ Die vermeintlichen „Nichtrassisten“ betonten immer wieder ungefragt, sie hätten mit den Hautfarben meiner Kinder kein Problem, ihr Kind würde ja mit unseren spielen. Als ich die Kita frage, wie die Milchallergie meines Jüngsten geregelt wird: „Einen N****kuss bekommt er dann nicht, ist doch klar, dann bringen Sie halt Apfelmus mit an dem Tag oder so.“ Es gab noch ganz andere Situationen.
Zwei Jahre habe ich mich gefragt, ob sie Recht haben und vieles nicht rassistisch war. Doch eins muss man, das hat mir die Offenheit so vieler PoC der letzten Wochen erst gezeigt: seinem Gefühl trauen. Auch wenn dir 10 andere Weiße sagen, es war bestimmt nicht so gemeint. Rassismus ist so subtil so oft und so schwer zu beweisen.
Warum bleibt man an so einem Ort? Weil man gehofft hat, wie die Kitaleitung so schön sagt, „dass die Hautfarbe keine Rolle spielt“ und man wohnen kann, wo man will. Weil man in der Kindheit wahrscheinlich zu viel Pippi Langstrumpf und „Ich male mir die Welt, wie sie mir gefällt“ gelesen hat. Doch so ist sie nicht, die Welt. Pippi hat sich in der Originalausgabe gern „N****prinzessin“ genannt und über „Hottentotten“ aus Afrika hergezogen. Ignoranten kann man nicht belehren und PoC sich nicht überall wohlfühlen. Es gibt unglaublich nette Menschen hier! Es ist ein Zuhause geworden. Und wir haben es wirklich probiert. Doch der Preis fürs Wohlgefühl und die Bedenken, ist zu hoch.
No Comments