zu früh

9. SSW. Ich ziehe mich zurück wie ein verletztes Tier. Brauche Ruhe, um mich darauf vorzubereiten, was ich denke, was wieder passieren wird. Dass sich etwas eingenistet hat, wusste ich direkt. Die vielen Schwangerschaftstests täglich bestätigen es. Doch das Bauchspannen ist dem Periodenschmerz zu ähnlich, wie damals bei der frühen Fehlgeburt. Der zweite Strich auf den Tests wird nicht stärker. Seit Tagen fühlt es sich so an, als wolle ich etwas rauspressen. Etwas, was sich nicht weiterentwickelt hat, was da so nicht mehr hingehört. Mein Mann fleht mich an, zu versuchen, meinem Körper zu vertrauen, dass er weiß, wie was zu regeln ist und was er vor hat und wir nichts tun können, außer abzuwarten. Alle, die schonmal eine Schwangerschaft verloren haben, wissen, dass Zureden nichts bringt, egal wie gut gemeint.

Damals verriet die App, das Herz würde zu diesem Zeitpunkt sichtbar schlagen. Ich war zwar verunsichert, weil der Arzt nichts sehen konnte, glaubte aber daran, dass es sich einfach nur versteckt. Hat es nicht. Seitdem nutze ich keine Babyapp mehr. Es folgten Tage der Unsicherheit, ob ich mich von der Schwangerschaft verabschieden soll, damit es leichter fällt. Oder ob ich für das Baby, dass sich trotz Schwangerschaftshormone nicht zeigt, kämpfen, an ihm festhalten, zureden, dass es bleiben soll. Nach der einsetzenden Blutung bin ich allein mit 180 über eine Landstraße gebrettert – auf dem Beifahrersitz eine Kerze, das Ultraschallbild und das verlorene Gewebe im blutdurchdrängten Taschentuch. Und habe es beerdigt, im Wald, Weinkrämpfe den Körper durchschüttelnd, stundenlang laut schreiend, so eine Verzweiflung kannte ich vorher nicht. Als ich vier Wochen später wieder blutete, verfluchte ich alles und jeden, wusste nicht, wo hinten und vorn ist, jeglicher Leichtsinn war mir abhanden gekommen, der erst zurückkam, als ich ein Jahr später unseren Sohn gesund geboren habe.

Auch diesmal wissen wir vom Arzt, dass die Hormonwerte sehr niedrig sind. Bei jedem Toilettengang erwarte ich panisch den Abgang. Viele Wochen später: das Baby in mir – mittlerweile so groß wie eine Aubergine – ist geblieben. Manchmal geht alles gut. Gib die Hoffnung nicht auf. 

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